Logo photokina 2014Die Digitaltechnik ist erwachsen geworden, der Kameramarkt schrumpft aufs erwartbare Maß, die Sensationen bleiben aus, doch der Überraschungen gab es einige

… so etwa kann man dieses Fotojahr und auch diese photokina 2014 kurz fassen. Bis dato waren in diesem Fotojahr in Deutschland, und in der Tendenz auch weltweit, folgende Entwicklungen zu beobachten:

• Kompaktkameramarkt: -30 % (*)
• Spiegelreflexmarkt: -30 % (*)
• Markt für spiegellose Systemkameras: +30 % (*)
• Spiegellose haben mittlerweile einen Marktanteil von ca. 25 % (in Japan schon über 50 %) (*)
      (* Die Zahlen sind grob gemittelt und zeigen die Tendenz auf; sie gelten grob sowohl für die Stückzahlen als auch den Wert.)

Da verwundert es doch sehr, dass zur photokina von den beiden Großen, Canon und Nikon, die bei den Systemkameras zusammen immer noch einen Marktanteil von geschätzt 70 % halten (es waren auch schon mal um 80 %) nichts zur Zukunft zu sehen war. Eine EOS 7D Mark II und eine D750 in allen Ehren – aber das kann nicht alles gewesen sein, wenn man angesichts oben aufgezeigter Tendenzen seine Marktstellung halten will. Wenn sich da nicht bald Überzeugendes tut, was Spiegellose angeht, verkaufen bald andere mehr Systemkameras. Natürlich, das war nicht alles, was die beiden in diesem Jahr vorgestellt haben – aber moderate Modifikationen des Bestehenden, mehr war da nicht. Wobei man vor allem Canon nie unterschätzen sollte: erinnert sei an der Stelle nur an die EOS 300D (sehr preiswert), die den Amateur-Markt nachgerade im Sturm eroberte und an die EOS-1Ds (11 Megapixel im Jahr 2002), eine der ersten Digitalkameras mit Kleinbildsensor (neben der Contax N Digital mit 6 Megapixeln).

Nun mag manch einer einwenden, dass ja zum Beispiel Sony (als ein wichtiger Mitspieler bei den „Spiegellosen“ und ein wichtiger Gegenspieler der Spiegelreflexen) auch nicht gerade das Neuheitenfeuerwerk der Messe zündete. Das ist einerseits richtig. Andererseits gab es zwar wenig ganz Neues, aber eine ganze Menge Interessantes zu sehen. alpha 7s, QX1, … – alles in diesem Jahr vorgestellt.

Den fulminantesten Messeauftritt legte unzweifelhaft Leica hin. Eine neue S (und die alte S nun als preiswertere S-E), eine analoge M-A, eine V-Lux, eine D-Lux, eine X, … – aber hoppla. Und all das, wie man betont, in Deutschland entwickelt und produziert. Abgesehen von den von Panasonic übernommenen Modellen natürlich, aber die machen bei weitem nicht den Hauptanteil in Leicas Portfolio aus.

Übrigens: die Leica M Edition 60 (die mit ohne Monitor) ist schon ausverkauft.

Dem folgt Panasonic. Neue Objektive, die wirklich feine neue MFT-Systemkamera Lumix GM5. Vor allem aber: die Premium-Kompaktkamera Lumix LX100 (mit MFT-Sensor) und das Smartphone Lumix CM1 (mit 1-Zoll-Sensor) bringen neue Ideen und ganz viel Bildqualität in ihre jeweiligen Segmente. Neben Sony der innovativste und erfindungsreichste Hersteller dieser Tage, Wochen, Monate und Jahre.

Fujifilm enttäuschte meine ganz ureigenen Erwartungen: Nach der vor kurzem vorgestellten X100T (deren Hybrid-Sucher mit elektronischem Messsucher wirklich Klasse ist) hätte ich fest mit der Ankündigung einer lange überfälligen X-Pro2 gerechnet: der stünde der Sucher der X100T auch sehr gut. Naja, nächstes Jahr, vielleicht ….

Aber, mit der X-Serie hat Fujifilm feine Kompakt- und (spiegellose) Systemkameras zu bieten, die ihre Liebhaber finden. Dennoch, eine Perspektive, einen Ausblick hätte ich mir gewünscht. Das können andere ja auch, Pentax zum Beispiel.

Ja, Pentax: Die haben auf der photokina 2014 einen kleinen Kracher insofern gezündet, als sie den Einstieg ins Kleinbildformat in Aussicht gestellt haben. Nicht heute und morgen, aber man sei an der Entwicklung dran. Der letzte der Aufrechten fällt um … – womit dann APS-C bei Spiegelreflexkameras endgültig wieder aufs Halbformat schrumpft: alle Spiegelreflexhersteller – und das sind gar nicht mehr so viele – bieten dann auch das „Vollformat“ (aka Kleinbild). Das ist auch gut so: Wer schon einmal vergleichsweise durch einen Spiegelreflexsucher für APS-C und für Kleinbild gesehen hat, der wird mir wohl zustimmen, dass angesichts der rasanten Entwicklung und Verbesserung der elektronischen Sucher allenfalls der große, helle Kleinbild-Reflexsucher konkurrenzfähig bleiben kann.

Mit der OM-D E-M1, jetzt auch in silber (was sich übrigens sehr edel macht), betreibt Olympus minimale Modellpflege. Das Firmware-Update wertet diese Kamera noch einmal auf. Olympus ist denn auch, nach allem, was man hört, sehr glücklich über dies‘ Modell und darüber, wie es sich verkauft. Ich wünsche Olympus, dass das lange so bleibt, und dass dann, wenn das nicht mehr der Fall ist, eine Alternative gefunden ist.

Wobei Olympus in der Vergangenheit groß darin war, selbst nahezu marktbeherrschende Stellungen mal eben so zu versemmeln. Erinnert sich noch jemand die die einst äußerst erfolgreichen Camedia-Digitalkameras? Oder an die seinerzeit konkurrenzlose E-1 (damals sehr preiswert angesichts des Gebotenen, dabei sehr gut, mit „Profi“-Qualität, was Bildsensor und Gehäuse angeht)? Das Konzept hätte das Zeug gehabt, den Markt aufzumischen und FourThirds zu dem Format im Digitalen zu machen. Und was macht Olympus? Nichts. Es blieb viel zu lange Jahre bei der E-1 und so hatten die lieben Mitbewerber alle Zeit der Welt, die E-1 zu übertrumpfen. Was sie denn auch taten.

Samsung – ach Samsung. Ich kenne keinen Kollegen und keine Kollegin, die die Kameras dieser Firma so richtig toll finden (wobei gleich eingeräumt sei, dass ich nicht alle Kollegen / -innen, geschweige denn all deren Meinung kenne). Es fehlt das Besondere, es fehlt der Spaß- und / oder der Technikfaktor. Was auch immer.

Mit der NX1 peilt Samsung nun den anspruchsvollen Fotografen an. Doch auch diese Samsung-Kamera lässt mich (und alle Kollegen, deren Meinung mir bekannt ist) recht kalt. Wobei, Samsung könnte einen heimlichen Trumpf haben: Unter der jungen Generation hat die Firma ein extrem gutes Image, und wenn diese Generation erst einmal richtig Geld verdient und für Kameras ausgeben kann und wird, warum dann nicht für eine Kamera, die vom gleichen Hersteller stammt wie das eigene Smartphone?

Abschließend noch ein Wort zu den – durchaus erwartbaren – drastischen Einbrüchen des Kameramarktes: 1994 hatten wir eine eine Haushaltsdurchdringung, was Digitalkameras angeht, von wild geschätzten 0,1 % (d. h., jeder 1000ste Haushalt hatte eine Digitalkamera). Heute, 20 Jahre später, dürfte dieser Wert bei sichtlich über 80 % liegen (d. h., die weitaus meisten Haushalte haben mindestens eine Digitalkamera). Was wiederum bedeutet, dass in 20 Jahren allein in Deutschland mehr als 33 Mio. Digitalkameras verkauft worden sein müssen (bei gut 41 Mio. privaten Haushalten) – tatsächlich noch viel mehr, da ja die Technik anfangs große Fortschritte machte, wie jeder Fotointeressierte aus eigener Erfahrung weiß, kaufte er doch in den vergangenen Jahren nicht nur eine Kamera. Und weil die Situation ja auf der ganzen Welt die gleiche war, wurden weltweit in ganz kurzer Zeit ganz viele Digitalkameras verkauft. Weil noch keiner eine hatte und (fast) jeder eine wollte. Jetzt aber hat fast jeder eine und ergo brauchen viel weniger eine. Hinzu kommt ein „Innovationsstau“: Die Fortschritte, bspw. was Auslöseverzögerung, Autofokus-Fähigkeiten oder auch Auflösung angeht, werden immer kleiner und immer mehr Menschen genügt das, was sie schon haben, völlig.

Nicht das Smartphone (mit seinen Foto-Fähigkeiten ) ist deshalb m. E. ursächlich für den Einbruch der Kameraverkäufe verantwortlich, sondern die Sättigung der Haushalte.

Was ich schon habe, muss ich mir nicht mehr kaufen. (*)

Und so müssen die Hersteller immer mehr Gehirnschmalz investieren, um uns zu einem Neu- oder Nachkauf zu verleiten. Was der Angebotsvielfalt bei den Kameras nur gut tut: Der Kunde hat die größere Wahl unter dem Besserem.

Wir sprechen uns dann 2016 wieder.

(thoMas)
 
 
 
* Womit dann auch gleich, sofern meine Logik stimmt, der Einbruch des Smartphone-Booms vorausberechenbar wird: Man schaue sich die Haushaltsdurchdringung bei den Smartphones an und deren Innovationshöhe von Generation zu Generation – die eine steigt, die andere sinkt – und man kann eine Prognose wagen, wann die Smartphone-Verkaufskurve so einen Abwärtstrend zeigen wird wie jetzt gerade die der Digitalkameras.
 

 
Nachtrag (22.9.2014): Ich will oben gar nichts ändern am Text, hier aber doch darauf hinweisen, dass die Behauptung „… alle Spiegelreflexhersteller – und das sind gar nicht mehr so viele – bieten dann auch das „Vollformat“ …“ so nicht stimmt. Die Sigma SD1 Merrill gibt’s ja auch noch. Und Sigma hat bislang noch keine Pläne kundgetan, dem Kleinbildformat zu frönen, was Kameras angeht.