Foto Nadja BournonvilleNichts ist so, wie es scheint und doch die Wirklichkeit – der Nachwuchsförderpreis „gute aussichten“ präsentiert aktuelle junge deutsche Fotografie:

gute aussichten informiert:

Im zehnten Jahr von gute aussichten wählte die Jury neun Arbeiten aus, bei denen nichts so ist, wie es scheint

„gute aussichten – junge deutsche fotografie 2013/2014“ – die neun Preisträger/innen und ihre Arbeiten: Nichts ist so, wie es scheint und doch die Wirklichkeit

Eine Espressomaschine, die in ihrem eigenen Kaffee ertrinkt, Landschaften die im wahrsten Sinn des Wortes fast vor uns und aus dem Bild entschwinden, Menschen, gegerbt, gebrandmarkt, gezeichnet von ihrem Dasein, als Randgruppe tituliert oder in solch absurden Haltungen ins Motiv inszeniert, dass das Kuckucknest grüßen und uns verblüfft aus der Wäsche schauen lässt, graue Betonbilder von monochromer Schlichtheit und überbordend bunte Collagen von malerischer Schönheit: Im zehnten Jahr seines Bestehens präsentiert „gute aussichten 2013/2014“ eine inhaltliche, ästhetische, mediale und formale Bandbreite, wie sie die junge deutsche Fotografie selten geboten hat. Ein Spektrum, überraschend vielfältiger Ideen, Überlegungen und fotografischer Strategien, formaler wie medialer Umsetzungen, die nicht nur den aktuellen Status Quo abbilden, sondern auch als Inspirationsquelle dienen dürfen.
 

Foto Jury gute aussichten

Die Jury (v.l.n.r.): Luminita Sabau, Verena Hein, Mario Lombardo, Wibke von Bonin, Josefine Raab, Ingo Taubhorn und Hans-Christian Schink

 
Und doch ist es so, dass es in all dieser Vielfalt ein geradezu verblüffend verbindendes Element gibt: Das Nicht-Erfüllen von Erwartungen, das Nicht-Einlösen von Versprechen, das Nicht-Einhalten von Konventionen, das Nicht-Geschehen des Vorhersehbaren, das Nicht-Sein des Geahnten, des Da-Seins zieht sich durch die neun Arbeiten wie ein roter Faden. Hoffnungen werden enttäuscht, physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt, mediale Grenzen überschritten und Sehgewohnheiten auf den Kopf gestellt. Nichts ist so, wie es scheint. Und doch so, wie es ist. „Denn”, schreibt der Autor Rolf Hochhuth in seinem Buch „Eine Liebe in Deutschland”, „nur die Gegenwart ist die Wirklichkeit”. Diese, unsere Gegenwart ist gezeichnet von unhaltbaren Versprechen und nicht eingehaltenen Vereinbarungen. Fortlaufend, immerzu, stetig. Doch wenn eine Generation junger Fotograf/inn/en den Finger in diese Wunde legt, sie sichtbar, spürbar werden lässt, dann schafft sie damit nicht nur ein verbindendes Element. Sie zwingt uns hinzusehen, zu fragen, zu denken und sie riskiert, dass Begriffe wie Freiheit, Würde, Wahrheit ins Spiel kommen. Werte, die – wie wir finden – uns und der Gegenwart verdammt gut tun.

Exakt 100 Einreichungen aus 33 Institutionen erreichten uns für den Wettbewerb „gute aussichten – junge deutsche fotografie 2013/2014″. An der Jurysitzung in Hamburg nahmen teil: Dr. Wibke von Bonin (Köln), Kulturjounalistin und Kunsthistorikerin, Dr. Verena Hein (München), Kuratorin und Leiterin der Ausstellungen Museum Stuck Villa, Mario Lombardo, Art Director, Bureau Lombardo (Berlin), Josefine Raab (Neustadt/Weinstrasse), Kunstwissenschaftlerin und Gründerin von „gute aussichten”, die ehemalige Leiterin der Kunstsammlung der DZ Bank, Luminita Sabau (Frankfurt/Main), der renommierte Fotograf Hans-Christian Schink (Leipzig) sowie Ingo Taubhorn, Kurator am Haus der Photographie, Deichtorhallen (Hamburg).

Am Ende des Sichtungstages wurden neun Arbeiten und Preisträger/innen ausgewählt. Wir bedanken uns an dieser Stelle – wie immer – sehr herzlich bei allen beteiligten Hochschulen, Einreichern und Professoren sowie den Jurymitgliedern für ihre Teilnahme, ihr Engagement und ihre mehr als tatkräftige Unterstützung.

Die neun Preisträger/innen von „gute aussichten 2013/2014“ und ihre Arbeiten, wie immer, nach ABC geordnet:
 

Foto Nadja Bournonville    Foto Nadja Bournonville

Nadja Bournonville, A Conversion Act

 
Nadja Bournonville // A Conversion Act // Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Ausgangspunkt von Nadja Bournonville ist das Krankheitsbild der Hysterie und der Begriff der Konversion ((lat. Conversio = Umwendung, Umkehr). In ihrer fotografischen Arbeit „A Conversion Act“ greift Bournonville den Gedanken der Umwandlung von seelischen Vorgängen in das Körperliche auf und entwirft zwei einander ergänzende Serien. Für die „Medical Machines“ fertigt die Künstlerin aus Alltagsgegenständen eine Reihe von surreal anmutenden Gerätschaften, die an medizinische Apparaturen früherer Zeiten erinnern. Diese Kleinformate, in denen die aus heutiger Sicht brachialen Behandlungsmethoden seelisch Erkrankter gewissermaßen ad absurdum geführt werden, kontrapunktiert die Künstlerin mit großformatigen, szenographisch angelegten Einzelbildern. In deren bildnerischem Repertoire klingen Ausdrucksformen und Ikonografien sowohl symbolistischer, dadaistischer als auch surrealistischer Kunst an. Der Betrachter sieht sich in anspielungsreiche, unserer greifbaren Wirklichkeit völlig entrückte Bildräume versetzt, die uns in eine assoziativ aufgeladene, magisch wie grotesk anmutende Traumwelt führen.

 

Foto Anna Domnick
 
 
Foto Anna Domnick

Anna Domnick, Calm II

 
Anna Domnick // Calm II // Fachhochschule Bielefeld
In ihrer zehnteiligen Serie „Calm II“ setzt sich Anna Domnick mit der Visualisierung einer geistigen wie materiellen Auflösung auseinander. Die intensive Betrachtung von Landschaft, die sie selbst als autobiographisches Moment in ihre künstlerische Arbeit hineinträgt, transformiert sich in „Calm II“ zu einer weitestgehenden Abstraktion des konkreten Motivs. In fünf minimal variierten Landschaftsbildern gibt ein radikal tief liegender Horizont den Blick frei in die Weite des sich darüber wölbenden Himmels. Gepaart werden diese Bilder mit Körperbetrachtungen einer weiblichen Figur – zwei Rückenakte angeordnet als Diptychon, zwei Hautbilder und eine sich im Schwarz verlierende Kontur. In den abwechselnden Bildfolgen von Landschaft und Körper visualisiert Anna Domnick den für sie wechselseitigen Prozess, in dem geistige und physische Auflösung einander bedingen. Beide – Landschaft wie Körper – gerinnen zu einer Vision der Entgrenzung von Körper und Geist.

 

Foto Birte Kaufmann
 
 
Foto Birte Kaufmann

Birte Kaufmann, The Travellers

 
Birte Kaufmann // The Travellers // Ostkreuzschule für Fotografie
Die Pavee, wie die Traveller offiziell genannt werden, sind laut Wikipedia „eine als fahrend beschriebene soziokulturelle Gruppe Irlands“. Die Landfahrer leben in Familienclans, sprechen eine auf das Gälische zurückgehende eigene Sprache und werden – wie alle nomadischen Völker – von den jeweiligen Einwohnern und Behörden argwöhnisch beäugt. „Kesselflicker“ (tinker) ist eine auch im deutschen Sprachraum negativ konnotierte Bezeichnung für Landfahrer. In früheren Zeiten lebten auch die irischen Traveller davon, Kessel und andere Gebrauchsgeschirre zu flicken, Pferde zu beschlagen oder Messer zu schleifen. Diese Arbeitsfelder sind mit dem Einzug moderner Zeiten jedoch nahezu von der Bildfläche verschwunden. Heute kann eine große Zahl der Pavee in Irland und England nach wie vor nicht lesen oder schreiben und lebt, neben der Pferdezucht, von Sozialhilfe. Die Traveller sind eine geschlossene Gesellschaft mit eigenen Regeln und Traditionen. Birte Kaufmann hat sich mit großer Ausdauer Zugang zu einigen, ihrerseits äußerst misstrauischen, Familien erarbeitet und ihre Fotografien, die zwischen Dokumentation, Narration und Inszenierung schwingen, gewähren einen authentischen Einblick in eine uns verborgene Welt.

 

Foto Lioba Keuck
 
 
Foto Lioba Keuck

Lioba Keuck, Couve e Coragem

 
Lioba Keuck // Couve e Coragem // Fachhochschule Dortmund
„Kohl und Mut“ – was aus dem Portugiesischen ins Deutsche übersetzt beinahe wie eine sozialistische Arbeitsparole klingt, beschreibt die Lebensrealität von Menschen, die am Rande der Gesellschaft oftmals um ihr schieres Überleben kämpfen. Häufig sind es Emigranten aus ehemaligen Kolonien Portugals (wie z.B. Angola, Mosambik, Brasilien oder den Kapverden), die in trostlos wuchernden Siedlungen in der Peripherie Lissabons wohnen. Auf den sie umgebenden Brachflächen haben sie damit begonnen, den Boden urbar zu machen, um ihre kärglichen Einkünfte mit selbstgezogenem Gemüse aufzubessern. Lioba Keuck hat für „Couve e Coragem“ in den Armutsgürteln der Hauptstadt recherchiert, die Menschen nach ihren Geschichten befragt. In einer Mischung aus Texten, Portraits, künstlerischen und dokumentarisch anmutenden Fotografien verdichtet sich visuell der Versuch von Menschen, ihren Lebensverhältnissen eine in mehrerer Hinsicht positive Perspektive abzugewinnen: Die Arbeit in und mit der Erde verschafft ihnen nicht nur ein soziales Miteinander und die Aufbesserung ihrer Mahlzeiten, sondern vermittelt Sinn und Bestätigung – etwas, das sie in einem Milieu von Arbeitslosigkeit oder bestenfalls schlecht bezahlter Hilfsarbeit selten bis gar nicht erfahren.

 

Foto Alwin Lay

Alwin Lay, mod. CLASSIC

 
Alwin Lay // mod. CLASSIC // Kunsthochschule für Medien Köln
Von nichts kommt nichts, könnte das Motto von Alwin Lay sein, oder auch: Es passiert nicht immer, was geschehen müsste, aber doch jede Menge. „mod. CLASSIC“ ist der Name einer kleinen Siebträger Espressomaschine, die die italienische Firma Gaggia Ende der 1970iger Jahre auf den Markt brachte. Alwin Lay hat sich den Titel geborgt, denn bei ihm wird die Espressomaschine zum Sinnbild seines Schaffens. Eingebaut in eine durchsichtige Vitrine ertrinkt die „mod. CLASSIC“ in ihrem eigenen Espresso. Übrig bleibt ein schwarzer Kubus mit kräftig Crema obenauf und ein Büchlein, eine gefakte Bedienungsanleitung der Gaggia, die das „Ertrinken“ der Maschine Bild für Bild dokumentiert. Die ursprünglich ebenso ästhetische wie verkäuferische Präsentation der Maschine wird, alleine durch die Produktion des Cafes, ihrer Funktion enthoben und löscht so auch das Bild, das wir von ihr haben. Das Nicht-Erfüllen von Erwartungen, das Nicht-Einlösen tradierter Handlungs- und Betrachtungsmuster ist das Thema von Alwin Lay. Ob installativ, skulptural, fotografisch oder in Videos umgesetzt, immer überrascht er den Betrachter auf eine sinnige, humorvolle Art und Weise, eben ganz „mod. CLASSIC“ -mässig.

 

Foto Marian Luft, Ästhetik

Marian Luft, Ästhetik
 
 
Foto Marian Luft, Funtasies

Marian Luft, Funtasies

 
Marian Luft // Back2Politics // Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
„Wenn keine Revolution herrscht, muss man sie eben herstellen“, übertitelte „Die Zeit“ (26.11.2011) einen Artikel zu einer Studie über die Zeitschriftenreihe „Kursbuch“ von Hans Magnus Enzensberger. Was sich als Reminiszenz zu Enzensberger legendärer Rede anlässlich der Pariser Aufstände im Juli 1968 liest, könnte – mit einem zwinkernden Auge – auch für Marian Luft und seine mehrteilige Serie „Back2Politics“ gelten: In einer Zeit, in der (zumindest in Deutschland) gerade keine Revolution in Sicht ist, muss bzw. kann man, zumindest als Künstler, jederzeit eine anzetteln. „Das Politische als Akt der Umschreibung eines Zustandes in einen Anderen“ so ein ebenso vager wie vieldeutiger Erklärungsansatz des Urhebers – lässt uns relativ im Dunklen tappen. Betrachten wir das Werk, so stehen wir vor einer mehrteiligen, aus großformatigen Bildern bestehenden Rauminszenierung, die in allen Teilen inhaltlich wie apparativ dem Computer entspringt. Marian Luft sampelt Inhalte analog zu zeitgenössischer Kunst- und Kulturproduktion und generiert daraus ein gänzlich eigenständiges ästhetisches Produkt. So bedient er sich beispielsweise für „Funtasies”, einem Digitalprint auf Plexiglas mit programmierten LED Panel, bei den privat eingestellten Bilderströmen des tumblr Netzwerkes. Aus 310 000 Einzelbildern baut er sein „Tumblr Transparent”, einen multicoloren Flickenteppich aus Bilderschnipseln und in dem Monumentalprint „The Aethetic of the Political“ sieht sich der Betrachter einer azurblauen Fläche gegenüber, deren Zentrum eine explosionsartig auseinanderstiebende Fläche digitaler Kritzeleien darstellt – eine wilde, inkohärente Ansammlung „politischer Schmierereien“ (Marian Luft), deren Nicht-Inhalt durchaus als Analogie auf eine herrschende politische Un-Kultur gelesen werden darf.

 

Foto Stephanie Steinkopf
 
 
Foto Stephanie Steinkopf

Stephanie Steinkopf, Manhattan – Straße der Jugend

 
Stephanie Steinkopf // Manhattan – Straße der Jugend // Ostkreuzschule für Fotografie
Mitten im Grünen zwei Plattenbauten: was zu DDR-Zeiten begehrte Wohnungsangebote waren, ist nach der Wende gänzlich aus der Mode gekommen. „Manhattan“ nennen die Dorfbewohner mitten in Brandenburg die so unvermittelt in die idyllische Landschaft hineinragenden mehrstöckigen Häuser. „Straße der Jugend“ steht auf dem Schild jener Straße, die direkt an den Wohnblöcken vorbeiführt. 23 Jahre nach der Wende steht ein Gebäude komplett leer, im zweiten Bau sind zwölf von vierzig Wohnungen noch bewohnt. Wer konnte, hat die Behausungen verlassen. Über vier Jahre hinweg besuchte Stephanie Steinkopf immer wieder bestimmte Familien und erwarb sich allmählich das Vertrauen der Bewohner. In ihrem fotografischen Essay ist Steinkopf mittendrin in fremden Leben. Eingezwängt in engen, verwohnten Zimmern mit klapprigem Mobiliar, zwischen Sofakissen, Plüschtieren, Plastiktannenbaum, Salami aus der Packung und Bier aus der Dose. Hier essen und schlafen, lieben und hassen, streiten und feiern die Menschen. Der ganz normale Wahnsinn. Noch nicht einmal der Blick aus dem Fenster verschafft wirklich Luft. Stephanie Steinkopfs Bilder sprechen von nicht eingelösten Hoffnungen, von Agonie, Trostlosigkeit und Sozialhilfe – Zustände, die nicht nur weite Teile Ostdeutschlands betreffen, sondern für viele strukturschwache Gegenden gelten und die glanzlose Kehrseite der Wirtschaftsmacht Deutschland in den Fokus rücken.

 

Foto Daniel Stubenvoll
 
 
Foto Daniel Stubenvoll

Daniel Stubenvoll, Saubere Arbeit

 
Daniel Stubenvoll // Saubere Arbeit // Kunsthochschule Kassel
Daniel Stubenvoll scheut sich nicht nach dem Wesentlichen zu fragen: Woher kommt das Neue und wie entsteht es? Im Keller seiner Hochschule findet er eine zugeflüsterte, vermeintliche Antwort: Alles beginnt mit einem Grundstein – der ist das Fundament einer jeden Arbeit und wird von ihm fotografisch ins Bild gesetzt. Die Arbeit muss, da ist Daniel Stubenvoll sich sicher, „sauber“ sein, einem Bauwerk gleichen. Also stiftet er elf seiner Kommilitonen – unterschiedlicher künstlerischer Disziplinen – dazu an, ein Werk über diesen Grundstein zu machen. Aus diesen Werken kuratiert Stubenvoll, zusammen mit seiner eigenen Grundstein-Fotografie, eine fiktive Ausstellung und ein echtes Künstlerbuch, in dem der Entstehungsprozess, die Grundstein-Werke und die Ausstellung dokumentiert werden. Diese 11 neuen Grundsteine dienen Daniel Stubenvoll dann als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für seine „Saubere Arbeit“. In der er, die Bilder seiner Künstlerkollegen zitierend, seine eigenen Bilder aus und mit den fremden zusammensetzt und fotografiert. So werden wir, Stück für Stück, Zeuge einer Genese, die sich im Verlauf ihrer Werdung mit dem produktiven Scheitern am eigenen Bild und den Stärken der Fotografie auseinandersetzt.

 

Christina Werner
 
 
Christina Werner

Christina Werner, PIPAL

 
Christina Werner // PIPAL // Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
„Deutschland und Indien 2011-2012: Unendliche Möglichkeiten!“, so der Name eines vom Goethe-Institut in Neu-Dehli initiierten Projektes, an dem Christina Werner teilnahm. Aus den „unendlichen Möglichkeiten“ suchte sich die Fotografin das „Sabarmati Riverfrontproject“ in Ahmedabab, einer aufstrebenden Metropole im Bundesstaat Gujarat im Westen Indiens aus. Das „Riverfrontproject“ ist eine infrastrukturelle Maßnahme einer wirtschaftlich expandierenden Region, mit dem Ziel, das Flussufer zu beleben und für die Menschen nutzbar zu machen. Doch welche visuelle Strategie verfolgen in einem Umfeld, dessen Bilder in unseren Köpfen förmlich zementiert sind: Indien, das Land der extremen sozialen Gegensätze, das Land der Farben und Düfte, der heiligen Kühe und des undurchdringlichen Chaos. „PIPAL“ beschreitet folgerichtig einen gänzlich entgegen gesetzten Weg: Sechs so genannte „Betonbilder”, 12 snapshots, eine Herbariumskassette mit Blättern der Pappelfeige (Pipal), eine MDF-Platte, in die mehrere, zu beiden Seiten des Flusses liegende Stadtteile gefräst wurden, bilden ein Raumensemble. Christina Werners Installation beschreibt und ist Promenade in einem: die Betonbilder, die gestrichene Holztafeln zeigen, auf denen später Plakate montiert wurden, referieren sowohl auf den Werkstoff moderner Architektur als auch auf die Farbfeldmalerei. In der Kassette liegen die Blätter des Pipal-Baumes, die Werner auf ihrem Gang an der Promenade entlang gesammelt hat und das rasche Wachstum der Stadt symbolisieren. In den „snap-shots“ vertextet die Künstlerin ihre Eindrücke während ihrer „Promenade“ entlang des Flusses und die MDF-Platte verortet ihren Weg in der Topographie des Geländes. Die gesamte Installation wiederum ist lesbar als Metapher für die kulturgeschichtlich geprägte Entwicklung vom Kolonial- zum Nationalstaat und so schließt sich der inhaltliche Kreis. Mit der klaren Verankerung im Konzeptuellen gelingt es Werner exemplarisch, alle Klippen der erwarteten Bilder zu umschiffen und eine völlig neue Sehweise anzubieten.
 
 
Summa summarum präsentiert „gute aussichten – junge deutsche fotografie 2013/2014″: 107 Motive, 2 Kataloge, 2 Künstlerbücher, 2 Journale, 2 Videos, 1 Lightbox, 1 Glasvitrine, 1 Poster, 1 Soundinstallation, 1 Herbarium und 1 MDF-Platte.

Wie immer gibt es bei „gute aussichten“ kein Siegertreppchen, kein Preisgeld, keine Rangliste, sondern einfach „nur Gewinner(innen)”. Dafür bietet „gute aussichten 2013/2014″, nun im zehnten Jahr und laut SPIEGEL „Deutschlands renommiertester Wettbewerb für junge Fotografen”, eine einzigartige, inhaltlich wie stilistisch breit gefächerte Zusammenschau dessen, was in den letzten 12 Monaten an junger Fotografie in Deutschland entstanden ist.

Weitere Informationen über die Preisträger/innen und ihre Werke finden Sie asap in unserem feinen Katalog und auf der Website unter ARBEITEN —-> Top neun.

Der Katalog
Zu „gute aussichten – junge deutsche fotografie / new german photography 2013/2014“ wird im Januar 2014 der gleichnamige Katalog (Deutsch/Englisch) erscheinen, herausgegeben von Stefan Becht & Josefine Raab, der in jeder Buchhandlung und in allen Web-Stores oder direkt hier info(at)guteaussichten.org erhältlich ist: Ca. 230 Seiten, Grösse 16 cm x 24 cm, durchgehend vierfarbig, ca. 300 Abbildungen, 19,99 Euro, ISBN .

Die Ausstellungen & Termine
Die Auftakt-Ausstellung von „gute aussichten – junge deutsche fotografie 2013/2014“ findet am Freitag, den 15. November 2013 um 18.30 Uhr, im Goethe Institut Los Angeles statt (bis 13. Dezember 2013). Die Deutschland-Premiere von „gute aussichten 2013/2014“ und erste voll umfängliche Ausstellung eröffnet am Donnerstag, 6. Februar 2014 im Haus der Photographie, Deichtorhallen, Hamburg (bis Sonntag, 23. März 2014). Alle weiteren Ausstellungsstationen und Termine finden Sie auf unserer Website unter AUSSTELLUNGEN.

 

(thoMas)