Soziale Online-Netzwerke boomen nicht nur in der Alltagskommunikation, sondern verändern auch den Alltag der Wissenschaft. So wird das Internet in der Routinearbeit der Biologen immer mehr zur unverzichtbaren Ergänzung der Bestimmungsbücher – und ist „um Lichtjahre schneller“:

„Das Internet hat die Biologie um Lichtjahre vorangebracht. Einerseits beschleunigt es die Arbeit, da Anfragen an Kollegen auf sozialen Fachplattformen binnen Stunden Ergebnisse liefern. Zudem bietet es eindeutige Vorteile gegenüber Büchern“, meint Martin Lödl, Leiter der Insektenabteilung im Naturhistorischen Museum Wien.

Ein zentrales Plus des Internets ist seine einfache Darstellung von Farbfotos, die gedruckt oft mit Platz- und Kostenfragen zu kämpfen hatten. „Das gilt besonders für unattraktive Gruppen wie etwa Fliegen, deren Darstellung moderne und räumlich auflösende Geräte erfordert“, so Lödl. Zunehmend etablieren sich deshalb Spezialforen für die Bestimmung von Arten, wie etwa im Bereich der Insekten die Schmetterlings-Seite „Leafmines“ sowie für Fliegen „Diptera“. Zu hohem Renommee schaffte es auch das „Virtual Herbarium“.

Wichtig sei allerdings, angesichts des Foren-Booms für Naturthemen, auf die jeweilige Qualität zu achten, merkt der Spezialist an. Wenngleich auch Bestimmungsbücher Fehler enthielten, würden diese online noch leichter weitergegeben. Das Vorhandensein der lateinischen Artbezeichnung sei hier ein Kriterium, wie auch die Betreuung der jeweiligen Plattform. „Überprüfen Spezialisten die neuen Beiträge und korrigieren notfalls, sammelt sich meist schnell eine Community um sie.“ Die von interessierten Laien gestalteten Foren besitzen in Lödls Augen zumindest oft die Qualität „guter Trivialliteratur“. Für den Normalverbraucher ausreichend, seien sie für komplexere Bestimmungen zu ungenau.

Dass das Internet am ehesten neuen Herausforderungen des Faches wie etwa der Zunahme invasiver Arten gerecht wird, zeigt ein Beispiel aus Spanien. Biologen um Nicolas Perez Hidalgo der Universität Leon berichten im Journal „ZooKeys“, nahe Madrid erstmals in Europa die asiatische Blattlausart „Schizaphis piricola Matsumura“ entdeckt zu haben. Für die Bestimmung der nun 103. eingeschleppten Blattlausart in Europa, die das Wachstum von Birnbäumen durch Fraß und Honigtau-Sekrete schädigt, erhielten sie entscheidende Hinweise über ein auf der Plattform „Biodiversidad Virtual“ veröffentlichtes Foto.

Deutlich wird die enorme Geschwindigkeit des Internets bei der Artbestimmung am Beispiel des kanadischen Forschers Devin Bloom, der in entlegenen Flüssen Guayanas Fischarten bestimmte. Als er die Ausbeute von zwei Wochen Fischfang – 5.000 Exemplare – für den Export nach Kanada aufgrund der Zollbestimmungen genau identifizieren musste, lud er die Fotos kurzerhand auf seinen Facebook-Account und hatte binnen 24 Stunden dank seines Kollegennetzwerkes jede Art bestimmt. Für Lödl ist dieser Fall allerdings die Ausnahme: „Die Kollegenschaft vertraut eher auf wissenschaftliche soziale Netzwerke als auf Facebook.“

(pte / Johannes Pernsteiner)