Ein Fotoreporter der Bild-Zeitung war der Auffassung, er dürfe einen Prominenten im Gefängnis fotografieren, doch der ihn draußen nicht. Ein Gericht sah das genau anders: In dem Fall darf der Paparazzo nicht fotografieren (bzw. veröffentlichen), wohl aber fotografiert (bzw. gezeigt) werden:

Die kurz zusammengefasste Vorgeschichte geht so: Der Fotoreporter Jörg Völkerling bekam von der Axel Springer AG den Auftrag, Fotos des als Wetter-Moderator bekannt gewordenen und wegen Vergewaltigung angeklagten (und später freigesprochenen) Jörg Kachelmann zu machen. Der saß seinerzeit in der Justizvollzugsanstalt Mannheim in Untersuchungshaft und dem Fotoreporter Völkerling gelang es von einem gegenüberliegenden Gebäude aus, Kachelmann beim Hofgang zu fotografieren. Die Fotos wurden u.a. am 11.4.2010 in der Bild und auf Bild.de veröffentlicht.

Gewissermaßen im Gegenzug veröffentlichte Kachelmann am 28.3.2011 via Twitter Fotos vom Paparazzo:
 

Foto: Jörg Kachelmann

 
Gegen die Fotos aus der Justizvollzugsanstalt hatte Kachelmann Klage eingereicht, weil sie sein Recht am eigenen Bild verletzten würden, zeigten die Fotos ihn doch während des privaten Haftalltags.

Der Beklagte Völkerling wiederum beantragte, die Klage abzuweisen. Sei doch Kachelmann prominent, die Untersuchungshaft ein Vorgang der Zeitgeschichte. Weiter wollte Völkerling mit einer Widerklage die Verbreitung seines Fotos unterbinden, denn die verletze das Recht am eigenen Bild.

Wie das Landgericht Köln jetzt befunden hat (Landgericht Köln, 28 O 225/11), waren die Paparazzo-Fotos unzulässig, die Fotos vom Paparazzo hingegen schon.

Völkerling habe die Fotos während des Freigangs unrechtmäßig gemacht, da hier Kachelmanns Recht am eigenen Bild überwiege, zumal Kachelmann keine Möglichkeit gehabt habe, sich noch weiter zurückzuziehen. Ein Vorgang der Zeitgeschichte sei das auch nicht, sei Kachelmann doch wie alle anderen Gefangenen behandelt worden, so dass kein öffentliches Interesse an den (abweichenden) Haftbedingungen gegeben sei. Kurz: auch ein prominenter Angeklagter hat ein Recht auf Privatsphäre, wenn dem nicht ein gewichtiges öffentliches Interesse entgegensteht.

Auch hinsichtlich der Gegenklage widersprach das Gericht Völkerling auf ganzer Linie. Die Twitter-Veröffentlichung sei zulässig „da sie ein zeitgeschichtliches Ereignis erfasst und entgegenstehende überwiegende Interessen des Beklagten nicht ersichtlich sind.“

Die Begründung: „Das Foto zeigt den Beklagten, wie er noch während des Laufs des Strafprozesses in der Nähe der Wohnung des Klägers auf diesen wartet, um Bilder von dem Kläger oder Material für eine Berichterstattung über diesen zu erlangen. Es zeigt den Beklagten mithin in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Der Umgang der Medien mit Prominenten, insbesondere die Art und Weise, wie die Berichterstattung über Prominente und die Bebilderung derselben erfolgt, ist bereits grundsätzlich von gesellschaftlicher Relevanz und von öffentlichem Interesse, da der Umgang miteinander die gesellschaftlichen Grundlagen berührt. Dieses öffentliche Interesse ist im vorliegenden Fall zudem noch dadurch gesteigert, dass die Berichterstattung über den Kläger, das gegen diesen geführte Strafverfahren aber auch der Umgang der Medien hiermit, ein wesentliches Thema der Jahre 2010 und 2011 war und großen öffentlichen Widerhall gefunden hat. Die Öffentlichkeit hat daher ein Interesse daran zu erfahren, wie diese Berichterstattung zustande kommt. Der Beklagte, wenn auch selbst nicht bekannt, war in seiner Eigenschaft als Journalist und Fotograf – wie auch die Klage zeigt – an dieser vielfach persönlichkeitsrechtsverletzenden (Bild-) Berichterstattung über den Kläger beteiligt. Dies und seine Arbeitsweise wird durch die streitgegenständliche zeitnah veröffentlichte Fotografie dokumentiert, die geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Umstände von Medienberichterstattung zu erbringen.“

Die Kosten des Rechtsstreits muss der Beklagte Völkerling tragen.

Siehe auch: Kachelmann-Paparazzo verliert doppelt
 

(thoMas)