Nikons lichtstarkes AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED wird derzeit für rund 1800 Euro im Handel angeboten – „ein Objektiv, das in seiner Klasse neue Maßstäbe setzt“, so Nikon. Wir wollen sehen:

Foto vom AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED von Nikon

AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED samt MTF-Kurven (bei Offenblende) von Nikon

 
Das AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED (Straßenpreis ca. 1800 Euro) von Nikon ist wie Canons EF 1,4/24 mm L USM II ein „Bolide“ –  teuer, schwer und groß. Auch dieses Objektiv habe ich denselben Messungen unterzogen und festgestellt, dass es sich recht ähnlich verhält wie das EF 1,4/24 mm L USM II. Interessant für mich war zu sehen, dass DxO auf der öffentlich zugänglichen Testseite das 24-mm-Objektiv bei Blende 2,0 und nicht bei Blende 1,4 bewertet hat – warum wohl?
 

Grafik: Georg N. Nyman

Zu Beginn wieder die Verzeichnung, hier in der sehr informativen Darstellung mit dem Image Engineering Analyzer. Auf der Horizontalen der Bildortabstand von der Mitte und auf der Vertikalen die Verzeichnung – positive Werte bedeuten Kissenverzeichnung, negative Werte Tonnenverzeichnung.

 
Wie auch bei Canon ist eine sichtbare Verzeichnung vorhanden – je nachdem man welche Grenze setzt, ist die deutlich unterschiedlich. Wenn man die vertikale Bildausdehnung, also im Kleinbild die 24 mm nimmt, so stimmt der Wert mit den von DxO publizierten 0,5 % überein, wenn man aber die längere Seite (die 36 mm) nimmt, so sind es im Mittel etwa 1 % und in den Ecken werden es 1,5 %. Die Werte streuen stark, da vor allem bei Weitwinkelobjektiven die geringste Abweichung der orthofrontalen Positionierung der Kamera – also eine Justierungenauigkeit von 1-2 mm bei einer Entfernung von etwa 1 m vom Testtarget, bereits eine messbare Wirkung zeigt.

Diese hohe Messgenauigkeit ist zwar auch beim DxO Analyzer vorhanden, nur werden die Ergebnisse zur besseren Lesbarkeit gleich intern gewichtet und gemittelt und daher sieht das Ergebnis wie folgt aus:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Wie man sieht, etwa die gleichen Werte der Verzeichnung – durch die Bündelung sind die extremen Werte einzelner Ecken herausgefallen.

 
Die chromatische Aberration bei offener Blende ist deutlich ausgedehnter als bei Canon – der absolute Wert in den Ecken ist kleiner, aber die CA ist über ein größeres Bildfeld verteilt – also bereits bei kleineren Abständen von der Bildmitte sichtbar:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Darstellung durch den DxO Analyzer – 1,66 Pixel auf ein Bildfeld von 36 mm bei 4044 Pixel entspricht etwa 15 Mikron Abweichung in den Farbkanälen als maximaler Wert – nicht viel, aber doch sichtbar.

 
Hier gibt DxO in den publizierten Dateninformationen 10 Mikron an – das ist wieder richtig, gilt aber für die Längsseite und nicht für die Ecken.

Die Vignettierung, also die Randabschattung, ist bei offener Blende deutlich höher als beim Canon EF 1,4/24 mm L USM II – sie ist auch auf allen Aufnahmen gut sichtbar:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Ergebnisse des DxO Analyzer. Es ist sehr gut sichtbar, dass am Rand, in den Ecken, etwa 80 % des Mittenlichts verloren gegangen sind.

 
Das ist ein Ergebnis, das wirklich nicht sehr beeindruckend ist – aber man kann ja, wie es praktisch alle Fotografen machen, diese Abschattung durch die in der Kamera eingebaute Vignettierungskorrektur ausgleichen – dadurch werden die Randhelligkeiten angehoben.

Spannend war es, die Ergebnisse des Auflösungstests zu sehen. Ist Nikon besser, gleich, oder gar schlechter als Canon? Hier die Ergebnisse des DxO Analyzers bei Blende 1,4 mit dem AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED; zuerst die Mitte und dann die Ecken. Wie immer bei DxO sind die Ecken alle vier zusammengenommen und dann gemittelt – das gleicht eventuelle kleine Positionierungsproblem aus:
 

Grafik: Georg N. Nyman

DxO Analyzer – AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED bei Blende 1,4 – Mitte
 
 
Grafik: Georg N. Nyman

DxO Analyzer – AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED bei Blende 1,4 – Ecken

 
Wieder in der Vertikalen der Kontrast, der übertragen werden konnte und in der Horizontalen die Frequenz in cy/px. Man kann hier gut sehen, dass das Nikkor bei gleichem Übertragungskontrast weniger auflöst als das Canon-Objektiv (siehe auch Im Test: Canon EF 1,4/24 mm L USM II). Das ist zu den Ecken hin homogener und über die Bildfläche verteilt etwas besser. Das war wirklich eine Überraschung für mich – ich hatte keine gut messbaren Unterschiede erwartet. Hier die entsprechenden Canon-Grafiken zum Vergleich:
 

Grafik: Georg N. Nyman

DxO Analyzer – Canon EF 1,4/24 mm L USM II bei Blende 1,4 – Mitte
 
 
Grafik: Georg N. Nyman

DxO Analyzer – Canon EF 1,4/24 mm L USM II bei Blende 1,4 – Ecke

 
Erst ab Blende 2,0 wird das Nikon-Objektiv gut – wenn man von der geringeren Kontrastübertragung im Rotkanal absieht: das sollte eigentlich nicht so sein, aber es kann eben sein, dass ein einzelnes Objektiv ausreißt. Hier müsste ich eine ganze Reihe zum Testen bekommen, um einen Rückschluss auf das generelle Verhalten machen zu können.

Hier die gleiche Darstellung für die Bildmitte bei Blende 2,0 – man sieht deutlich, wie der Rotkanal in der Auflösung deutlich hinter dem Grün und dem Blau nachhinkt:
 

Grafik: Georg N. Nyman

DxO Analyzer – AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED bei Blende 2 – Mitte

 
Wenn ich die Ergebnisse der verschiedenen Testverfahren auf einen gemeinsamen Nenner bringe, so komme ich persönlich zur Schlussfolgerung, dass beide Objektive – das AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED wie das EF 1,4/24 mm L USM II von Canon – bei Offenblende nur mit Einschränkungen als sehr gut bezeichnet werden können.

Nikon hat zwar absolut weniger Farbfehler, dafür aber über einen weiteren Bereich, Canon hat eine etwas schlechtere Randqualität, aber deutlich geringere Vignettierung. Beide Objektive würde ich nur in wenigen Fällen bei Blende 1,4 verwenden wollen – da ist es wohl besser, die ISO-Werte um 1 oder besser 2 Stufen zu erhöhen (und die Blende korrespondierend zu schließen), denn bei beiden Kameras ist eine Steigerung der ISO-Werte um 2 Stufen ohne bedeutende Qualitätseinbußen möglich.

(Georg N. Nyman)
 
 
Nachbemerkung zum Testprozedere bzw. zu den hier gezeigten Auswertungen: Getestet und beurteilt wurde jedes Objektiv jeweils umfassend und gründlich. Im Interesse der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit werden nur einzelne Testtafeln gezeigt, die besonders interessante oder signifikante Ergebnisse veranschaulichen. Die Objektiv-Bewertung, wie sie im Text beschrieben ist, fußt natürlich auf einem umfassenden Testlauf des jeweiligen Objektivs.

Wie immer habe ich viel Augenmerk auf die Abbildungseigenschaften gelegt, die sich aus den Aufnahmen verschiedener Testcharts ableiten lassen, und diese technisch ermittelten Ergebnisse dann mit praktischen Aufnahmen verglichen – eine Gegenüberstellung, die oft die nicht so berauschenden Auswertungen der Testcharts relativiert hat. Alle Labortests wurden mit den drei führenden Programmen für die technische Analyse von Objektiv-Kamera-Kombinationen, also mit dem DxO Analyzer, dem IE-Analyzer und mit Imatest und den entsprechenden Test- und Auflösungstargets gemacht.

Es erscheint mir wichtig, zu betonen, dass alle Ergebnisse Momentaufnahmen jeweils eines einzigen getesteten Objektivs sind und daher keinen absoluten oder generell gültigen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit stellen können. Wie bereits früher einmal erwähnt, müsste ich für eine umfassende Analyse mindestens ein oder zwei Dutzend gleiche Objektive und Kameras vergleichen und ausmessen, um zu Aussagen zu gelangen, die dann eine breitere und allgemeine Gültigkeit haben sollten.
 
 
Artikelserie – Lichtstarke 24er im Test:
Einleitung – Lichtstarke 24er im Test
Canon EF 1,4/24 mm L USM II
AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED (lesen Sie gerade)
Sigma 1,8/24 mm EX DG Makro (ab 26.5.2011 um 15:15 Uhr online)
Sony Carl Zeiss Distagon T* 2,0/24 mm SSM (SAL24F20Z) (ab 27.5.2011 um 15:15 Uhr online)
Leica Summilux-M 1,4/24 mm Asph. (ab 28.5.2011 um 15:15 Uhr online)
 
 
Anmerkung der Redaktion: Es ist weder unsere Art, Seiten zu schinden, noch Klickstrecken zu bauen oder Artikel über mehrere Seiten auszubreiten, auf dass die vermeintliche Zugriffs- und Klickrate steige (Bilderstrecken sind für sowas sehr beliebt – das katapultiert die Seitenaufrufe nach oben). In diesem Fall haben wir uns aber entschlossen, die einzelnen Objektivtests auch in einzelne Artikel zu verpacken, weil das a) doch eine ganze Menge Grafiken und Auswertungen sind, und es b) so hoffentlich leichter verdaulich wird und weil c), wer sich nur für ein bestimmtes Objektiv interessiert, das auch schneller in Überschrift und Text und via Suche wiederfindet.
 

Nachtrag (26.5.2011):

Zum Testprozedere:

  • EF 1,4/24 mm L USM II an einer Canon EOS 1Ds MkIII
  • AF-S Nikkor 1,4/24 mm G ED an einer Nikon D3x
  • Sigma 1,8/24 mm EX DG Makro an einer Nikon D3x
  • Carl Zeiss Distagon T* 2,0/24 mm SSM an einer Sony alpha 900
  • Summilux-M 1,4/24 mm Asph. an einer Leica M9

Da besonders bei Weitwinkelobjektiven eine ganz exakte orthofrontale Ausrichtung der Kamera in Bezug auf die Testtargets von hoher Wichtigkeit ist, habe ich zur Ausrichtung einen Leica-Laserentfernungsmesser verwendet und durch trigonometrische Messung der einzelnen Abstände der Kamera zu den Ecken des jeweiligen Targets die Ausrichtung ermittelt. Dabei bleibt systembedingt ein Restfehler von etwa +/- 2 mm bei einer Entfernung von 1 m übrig. Zusätzlich erlaubt eine Funktion im DXO Analyzer die Berechnung der Orthofrontalität aus der Lage der aufgenommenen Punkteraster – der so ermittelte Fehler lag im Mittel bei maximal etwa 0,1-0,2 Grad, was für die Auswertung belanglos ist.

Die Aufnahmen wurden grundsätzlich im Raw-Format gemacht und wo möglich, auch in diesem Format ausgewertet.

Da die Messprogramme nur zum Teil Raw-Dateien verarbeiten können, wurde bei denjenigen Programmschritten, wo kein Raw–Format möglich war, ein konvertiertes TIFF verwendet –  natürlich ohne irgendwelche verändernde Einstellungen bei der Konversion zuzulassen. Zu TIFF wurde in dem Raw-Konverter entwickelt, den der jeweilige Kamerahersteller empfiehlt (also Nikon-NEF in Nikon Capture NX etc.).

Zur Auswertung wurden diese Programme eingesetzt:

  • DXO Analyzer (erlaubt in einigen Schritten Raw, und in dem Fall wurden auch Raw-Dateien benutzt, sonst TIFF)
  • Image Engineering Analyzer (TIFF, da er keine Nikon-, Canon- oder Sony- Raw-Dateien erlaubt)
  • Imatest von Norman Koren (kann praktisch alle Rohdatenformate verarbeiten und verwendet einen eingebauten Konverter dafür)

Zur Fokussierung wurde immer der Autofokus genutzt (Ausnahme: Leica M9), das Fokussierfeld wurde auf eine klare und gut definierte Kante möglichst nahe der Mitte eingestellt. (Manuelles Scharfstellen hatte ich auch probiert, aber angesichts der modernen, leeren Mattscheiben ohne Einstellhilfen waren die Ergebnisse schlechter.) Das von mir auch beobachtete Problem der Differenz von AF-Schärfenlage und exakter Schärfenlage (focus-shift) bei ganz offener Blende lichtstarker Objektiven habe ich versucht, durch eine vorherige Kameraoptimierung des eingebauten AF auf das zu messende Objektiv auszugleichen.

Bei der Leica M9 wurde manuell fokussiert; durch den Sucher auf den Schnittbildentfernungsmesser. Kontrolliert wurde die Scharfstellung mit einem 7x-Monokular. Dabei ist mir aufgefallen, dass die optimale Schärfe einer Aufnahme nicht immer ganz exakt mit der so ermittelten Schärfenebene übereingestimmt hat. Da aber die M9 kein Life-View hat, gab es keine andere Möglichkeit zur Scharfstellung.