Foto Herlinde Koelbl: Starke Frauen, Susan, Cincinnati 1993Herlinde Koelbl ist ein Dauerbrenner der deutschen Fotografie-Szene. Nach einer Retrospektive in Berlin ist jetzt im Münchner Stadtmuseum eine große Schau zu sehen, die Bilder aus allen Werkgruppen vorstellt:

„Männer“, das war der Anfang. Das 1984 erstmals erschienene Foto-Buch, das im Jahr 2000 neu aufgelegt wurde, ist heute ein Klassiker und machte die in Lindau geborene, in München lebende Herlinde Koelbl schlagartig bekannt. Der weibliche Blick auf den nackten, verletzlichen, männlichen Körper, alles im strengen Schwarzweiß, das war in den achtziger Jahren mehr als ungewöhnlich. Es folgten weitere Bücher, mit denen die Fotografin immer wieder zu polarisieren wusste. „Feine Leute“, „Jüdische Porträts“, „Spuren der Macht“, „Im Schreiben Zuhause“ und „Starke Frauen“ sind die Bekanntesten.
 

Foto Herlinde Koelbl: Starke Frauen, Susan, Cincinnati 1993

Starke Frauen, Susan, Cincinnati 1993
© Herlinde Koelbl

 
Auch leuchtete Koelbl – die im Jahr 2001 mit dem renommierten Dr. Erich-Salomon-Preis geehrt wurde – für ihr Buch „Schlafzimmer“ fremde Schlafstätten fotografisch aus, wagte Blicke in die privatesten Lebensräume sehr unterschiedlicher Menschen. Besuchte jene Orte, wo Menschen die Masken ablegen, nackt sind, wo Verletzlichkeit ins Spiel kommt. „Jedes Photo ist zunächst ein flaches Stück Papier“ sagt Herlinde Koelbl. „Doch wenn ein Photo gut ist, nimmt es plötzlich Gestalt an, bekommt eine physische Wirkung auf den Betrachter.“

Und Koelbls Fotografien sind gut, sehr gut, wirken auf den Betrachter, wie auch ihre Fotoserie „Haare“ zeigte, zu der ein Foto-Buch bei Hatje Cantz erschienen ist. Mehrere Jahre hat Koelbl mit ihrer Hasselblad 6 x 6 an der Serie gearbeitet. Lange Produktionsprozesse, erzählt die Fotografin im Gespräch, ermöglichen einen kritischen Abstand zu den eigenen Bildern und führen zu einem präziseren Blick auf das eigene Tun. „Ich interessiere mich für Menschen“, so resümiert Koelbl ihr Schaffen. „Aber es muss weitergehen als unter die Oberfläche. Das ist das ganze Geheimnis.“
 

Foto Herlinde Koelbl: Portrait, Georges Tabori, München 1986    Foto Herlinde Koelbl: ein und Schein, Louise Bourgeois, New York 2001

Portrait, Georges Tabori, München 1986 – Sein und Schein, Louise Bourgeois, New York 2001
© Herlinde Koelbl

 
All diese Bilder sind nun in der Ausstellung „Herlinde Koelbl – Mein Blick“ zu sehen, die den Untertitel „Eine Werkschau 1976 – 2010“ trägt. Schwerpunkte der Schau sind die seit 1980 entstandene Serie „Das deutsche Wohnzimmer“, die 2002 entstandene Arbeit „Schlafzimmer“, die „Männer“-Serie und ihre Bildreihe „Starke Frauen“. Gezeigt werden auch Arbeiten aus der 1986 entstandenen Serie „Feine Leute“, ein ungeschöntes Sittenbild der High Society, ihre „Jüdischen Porträts“ und die sehr bekannte Bildfolge „Spuren der Macht“, für die Herlinde Koelbl Politiker wie Angela Merkel, Gerhard Schröder und Joschka Fischer über einen Zeitraum von acht Jahren fotografiert hat.

(Marc Peschke)
 
 

Foto Herlinde Koelbl: Abstrakt, Hunde in der Nacht, Tel Aviv 2005

Abstrakt, Hunde in der Nacht, Tel Aviv 2005
© Herlinde Koelbl

 
Buch:
Begleitend zur Ausstellung ist die Publikation „Herlinde Koelbl – Mein Blick“ im Steidl Verlag erschienen.

Ausstellung:
Herlinde Koelbl – Mein Blick. Eine Werkschau 1976 – 2010
Bis 10. April 2011
Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr

Foto Herlinde Koelbl: Lebensspuren, Nina, München 1991

Weitere Ausstellungen mit Arbeiten von Herlinde Koelbl:

27. März 2010 – 02. Januar 2011
Deutsches Hygiene Museum Dresden
Was ist schön?

10. Juni 2010 – 30. April 2011
Krakau, Wroclaw, Lublin, Szczecin, Tarnobrzeg, Olsztyn, Opole, Warschau (Goethe-Institute in Polen)
Im Schreiben zu Haus

16. September 2010 – 09. Januar 2011
Wallraf-Richartz-Museum, Köln
Auf Leben und Tod

30. September 2010 – 28. Februar 2011
TwentseWelle Museum, Enschede, Niederlande
Besser als Gott

06. Oktober 2010 – 06. März 2011
Jüdisches Museum München
Typisch! Klischees von Juden und Anderen

14. Dezember 2010 – 30. Januar 2011
Galerie Westlicht, Wien
Nude Visions
 
 
Siehe auch unseren Erstbericht zur Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau: „… es muss weiter gehen als unter die Oberfläche …“
 
 

Lebensspuren, Nina, München 1991
© Herlinde Koelbl