Mit einem offenen Brief wendet sich Heino Hilbig (vormals leitend im Marketing u. a. bei Olympus und Casio tätig) an die Fotoverbände: „Der Fotomarkt droht zu kollabieren – bitte werden Sie aktiv!“

 
 
An die
Vorstandsmitglieder des
Photoindustrie-Verband e.V.

Hamburg, den 15. Mai 2014

Offener Brief an die Vorstände der Fotoverbände CIPA, PIV und PMA

Der Fotomarkt droht zu kollabieren – bitte werden Sie aktiv!

Sehr geehrte Damen und Herren,

viele Jahre war ich in einem Unternehmen der Fotoindustrie für Strategie und Marketing in Europa verantwortlich. Seit der Gründung von Mayflower Concepts vor nunmehr drei Jahren beobachte ich die Entwicklung des Fotomarktes von außen mit großer Sorge.

In der Präambel des Photoindustrie-Verbandes findet sich folgender Satz:

Der Photoindustrie-Verband trägt durch seine nachhaltige, marktorientierte Branchenarbeit maßgeblich zur Weiterentwicklung des Gesamtmarktes sowie Entwicklung neuer Märkte bei.

Folgt man dieser Präambel, so scheint jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass die gewählten Vertreter der Verbände diese Verantwortung nun auch mit Leben füllen: Alleine für 2013 zeigen die Zahlen der CIPA einen Rückgang der Produktion von Kompaktkameras um 44 %, SLRs schrumpften um 19 % und spiegelfreie Systeme um 25 %. Und auch in 2014 setzt sich dieser Trend unvermindert stark fort: Im ersten Quartal sind die Produktionszahlen der Kompaktkameras wiederum um 37 % und die der Spiegelreflex-Systeme um fast 9 % geschrumpft.

Damit könnte sich der Markt dieses Jahr mit knapp 40 Millionen Kameras bei nur noch einem Drittel des Jahres 2010 einpendeln.

Kameras sind für die Fotowirtschaft der entscheidende Antriebsfaktor. Der Rückgang der Kamerazahlen trifft also alle Teilnehmer des Fotomarktes – früher oder später.

Angesichts dieser Zahlen scheint es höchste Zeit zu sein, dass die Fotoverbände, allen voran der Photoindustrie-Verband aktiv Einfluss nehmen, diesen Trend umzukehren. Und dies kann nur gemeinsam mit allen Marktteilnehmern – Herstellern, Handel und Presse – geschehen. Dass das geht, haben wir in verschiedenen Vorträgen und Publikationen im vergangenen Jahr versucht aufzuzeigen – Konzepte dazu gäbe es also.

Die Initiative und die Federführung aber können aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nur von den Verbänden ausgehen, denn nur sie können juristisch unbedenklich z.B.

  • Krisenkonferenzen und Round-Table-Gespräche einberufen, um ein gemeinsames Verständnis der Ursachen und der möglichen Alternativen diskutieren, die dann – wettbewerbsrechtlich einwandfrei – von den beteiligten Unternehmen selbständig umgesetzt werden.
  • Arbeitsgruppen ins Leben rufen und
  • übergreifende Aktionen der Marktteilnehmer initiieren und aktiv 
begleiten

Die vielen Gespräche, die wir in den vergangenen Monaten in Vier-Augen- Gesprächen mit leitendenden Kollegen aller Fotounternehmen und -organisationen geführt haben, zeugen von dem verbreiteten Wunsch, dass endlich eine übergreifende Initiative gestartet wird, die sich dem Schrumpfen unseres Marktes aktiv entgegenstellt.

Deshalb bitte ich Sie – in Ihrer Funktion als Mitglied des Vorstandes des Photoindustrie-Verbandes e.V. – öffentlich um Ihre Unterstützung. Helfen Sie, eine solche Initiative zu starten. Initiieren Sie innerhalb des Verbandes eine Diskussion darüber, ob wir wirklich abwarten wollen, bis der Fotomarkt weltweit nur noch eine kleine Nische geworden ist.

Jetzt wäre eine gute Zeit zum Handeln!

Mit freundlichen Grüßen
Mayflower Concepts

Unterschrift Hilbig

Heino Hilbig
Geschäftsführer
 

 
Anmerkung: Heino Hilbig nennt hier die produzierten Stückzahlen. Nicht unbedingt rosig, aber auch nicht so dramatisch, sieht es aus, wenn man sich die Wertentwicklung ansieht: So sind im 1. Quartal 2014 zwar die Produktionszahlen der Kompaktkameras um rund 46 % (nach unseren CIPA-Zahlen, nicht wie im Brief genannt 37 %) gesunken; der Wert der produzierten Kompaktkameras allerdings ging dabei „nur“ um knapp 28 % zurück. Ebenso wurden zwar weniger Spiegelreflex-Systeme produziert (minus gut 8 %), der Produktions-Wert aber stieg um 4 %. Und von den spiegellosen Systemen wurden im 1. Quartal 7 % mehr Stück produziert, und deren Produktions-Wert stieg gar um 22,4 %.

All das sind starke Indizien, dass der Kameramarkt zwar insgesamt schrumpft – stark bei Kompaktkameras, weniger bei Systemkameras –, dass aber immer mehr hochwertige Kameras produziert werden und dass die Hersteller zumindest im Systemkamera-Segment den Produktionsrückgang bei den Stückzahlen durch Steigerung des Warenwertes ausgleichen und übertreffen können.

Außerdem sei nicht vergessen, dass die „digitale Umrüstung“ notwendigerweise zu einem Ende kommen musste. Zu digitalen Hochzeiten wurden pro Jahr deutlich mehr Digitalkameras verkauft als jemals in analogen Zeiten. Kein Wunder auch, vollzog sich doch der Umstieg Analog-Digital innerhalb weniger Jahre; sehr viele kauften in einem sehr kurzen Zeitraum eine Digitalkamera. Jetzt aber haben die Vielen eine Digitalkamera – und eine Neue muss es dann doch nicht jedes Jahr sein. Insofern kollabiert der Fotomarkt nicht, er konsolidiert sich.

Kurz gefasst: Es deutet alles darauf hin, dass der Kameramarkt insofern gesättigt ist, als praktisch jeder, der in Frage kommt, mittlerweile eine Digitalkamera hat. Neu kaufen nur die – jetzt – wenigen Neueinsteiger und die, die sich verbessern wollen. So gesehen kein Wunder, dass sich Edelkompakte gut verkaufen und dass zwar weniger Systemkameras mit und ohne Spiegel produziert werden, dass aber im Systemkamera-Segment mit geringeren Stückzahlen mehr Umsatz gemacht wird. Ob auch mehr Gewinn, das steht auf einem anderen Blatt.

(thoMas)