Andy Schulz, Munichhattengirl / Goldfinger, 2013Foto alpha 7RWas passiert eigentlich, wenn man einem eingefleischten Analogfotografen eine Digitalkamera vom Schlage einer Sony alpha 7R in die Hand drückt? photoscala hat das mal gemacht: fotografiert hat der Münchner Fine-Art-Fotograf Andy Schulz, wir haben ihn zu seinen Eindrücken befragt:

Andy, du bezeichnest dich als „Fine-Art“-Fotografen. Was muss man sich darunter vorstellen?

Für mich entsteht Fine-Art-Fotografie aus dem Bezug zwischen Kamera, meiner persönlichen Idee und dem besonderen Moment bei der Aufnahme. Obwohl ich meine Bilder sehr sorgfältig inszeniere, lege ich großen Wert auf reportageartige Zufälle – etwa die Wirkung eines Blitzlichts, Portrait Andy Schulz die ich nicht immer exakt voraus bestimmen kann und will. Ihren ganz eigenen Charakter erhalten meine Fotografien aber auch durch meine besondere Präsentationform: Meine großformatigen Abzüge werden hinter Glas kaschiert. Diese Technik ist kostspielig, erzeugt aber einen sehr brillanten und kräftigen Bildeindruck.

Mit deiner jüngsten Foto-Serie „Fairy Tales & Fashion“ transferierst du klassische Märchenszenen in heutige Lebenswelten. Wie findest du deine Themen?

Die Themen kommen eigentlich aus meiner Vergangenheit. Ich sage immer: „Wir sollen uns ein bisschen die Kindheit behalten“. Und natürlich: Immer die Augen offen haben, für besondere Momente. Ich bin ein Fan von Comics und Märchen sowie märchenhaften Figuren wie Mary Poppins. Das sind alles Themen und Figuren, die man sehr modern darstellen kann. Zu meiner Serie „Fairy Tales & Fashion“ hat mich ein Märchenbuch inspiriert, das ich vor Jahren von einem kleinen Mädchen geschenkt bekommen habe. Mit meinen Fotografien übertrage ich die kindlichen und zeitlosen Themen der Märchen in die heutige Welt der Erwachsenen. Also Geld, Macht, Liebe, Missgunst, Obsession; aber auch Witz und Humor.

Bislang hast du vorwiegend mit einer analogen Mittelformat-Kamera gearbeitet. Doch dein jüngstes Werk Munichhattengirl / Goldfinger hast du mit einer digitalen Kleinbildkamera produziert. Was hat dich dazu bewogen?

In der Tat: Mein letztes Werk habe ich mit einer alpha 7R aufgenommen. Diese Kamera ist ungeheuer handlich, was meiner Arbeitsweise sehr entgegenkommt. Auf der anderen Seite bietet sie einen Kleinbildsensor mit 36 Megapixel Auflösung, also genug auch für meine großformatigen Prints. Hinzu kommt, dass sie keinen Tiefpassfilter aufweist, der die Auflösung beschränken würde. Als Künstler gesprochen: Es ist bei dieser Kamera der „volle Wertumfang“ im Bild enthalten. Am Set hat mir die Kamera gefallen, weil sie sich analog anfühlt. So kann ich zum Beispiel mit dem Klappdisplay arbeiten wie mit der Mattscheibe einer Mittelformat-Kamera, also auch von oben auf das Sucherbild schauen.
 

Foto alpha 7R

 
Im Vergleich zu einer Mittelformat-Kamera, ganz gleich ob analog oder digital, kann ich mit der alpha 7R sehr schnell und aktiv fotografieren. So wiegt die Kamera hier mit der kleinen Optik (Anmerkung der Redaktion: Carl Zeiss Sonnar FE 2,8/35 mm) keine 600 Gramm. Die habe ich notfalls sogar in der Hosentasche dabei und kann so ganz spontan eine Bildidee umsetzen. Und durch ihre geringe Größe wirkt die Kamera überhaupt nicht aggressiv. Mit ihr werde ich, um einmal Henri Cartier-Bresson zu zitieren, zum „Fotografen auf Samtpfoten“.

Andy, siehst du denn Auswirkungen der digitalen Arbeitsweise auf deine Bilder?

Das ist ganz interessant: Der Operator, der seit Jahren meine Bilder printet und kaschiert, hat heute gesagt, ich sei auf einem neuen Weg. In meinen neuen Bildern kommen die Farben wahnsinnig intensiv, die Kontraste sind sehr fein abgestuft. Auch ich bin sehr erstaunt, wie gut die Qualität der kleinen Kamera ist. Diese Bewertung kommt bei mir jedoch aus dem Bauch und aus dem Herzen heraus, das ist also mein ganz subjektiver Eindruck.

Als Künstler sind für dich sicherlich ganz andere Eigenschaften einer Kamera wichtig als für einen Gelegenheitsknipser. Worauf legst du besonders Wert?

Für mich muss eine Kamera vor allem leicht bedienbar sein. Da hakte es für mich am Anfang mit der alpha 7R etwas. Andererseits hat mir sehr gefallen, dass ich bei dieser Kamera das Aufnahmeergebnis sofort auf dem Display begutachten kann. Ich kann also sofort prüfen, ob zum Beispiel die Schärfe da liegt, wo ich sie haben möchte.
 

Andy Schulz, Munichhattengirl / Goldfinger, 2013

Munichhattengirl / Goldfinger, 2013
© Andy Schulz
Veröffentlichung auf photoscala mit freundlicher Genehmigung durch www.viviennemodels.com

 
Geradezu begeistert hat mich bei der kleinen Sony, dass ich fast jedes Objektiv an der Kamera adaptieren kann, seien es meine Mittelformat-Optiken, Objektive mit Leica-M-Bajonett oder auch beliebige Kleinbildobjektive. Diese Kamera bringt mehrere Welten zusammen, die digitale Welt mit der alten analogen Welt. Schließlich bekommt man seine besondere Bildsprache vor allem auch durch das Objektiv, mit dem eine Aufnahme entsteht. So ist zum Beispiel mein jüngstes Werk Munichhattengirl / Goldfinger ganz bewusst mit einer alten Optik von Nikon entstanden, weil sie genau dieses Bokeh zeichnet, das ich mir für dieses Bild gewünscht habe.

Und andersherum gefragt: Welche Eigenschaften einer Digitalkamera sind für dich nicht so wichtig?

Gar nicht gebrauchen kann ich, wenn eine Kamera ständig piepst oder andere Töne von sich gibt. Auch auf hunderttausend Untermenüs kann ich verzichten, ich brauche nur drei Grundfunktionen: Zeit, Blende und ISO-Zahl. Und meinetwegen noch die Option, den Autofokus schnell an- beziehungsweise ausschalten zu können. Aber ich merke schon, wie ich mich den neuen Möglichkeiten öffne, die die alpha 7R zu bieten hat. Mal sehen, ob ich mich auf Dauer damit anfreunden kann.

Das klingt ja, als würdest du der digitalen Kleinbildfotografie dauerhaft erhalten bleiben. Hast du denn bereits Ideen für ein nächstes Werk?
 

Andy Schulz, Wildcard, 2013

Wildcard, 2013
© Andy Schulz

 
Sicher werde ich zukünftig weiterhin digital fotografieren, aber auch analog; da bin ich nicht festgelegt. Ich freue mich vielmehr, dass ich mit einer digitalen Kleinbildkamera wie der alpha 7R neue Möglichkeiten erhalte, die ich so bislang nicht hatte, ohne das aufgeben zu müssen, was ich mit meiner Mittelformatkamera habe. Als nächstes Projekt habe ich ein Stilllive in Arbeit, mit einer speziellen Aussage, die sich wie immer bei mir vor allem über den Titel erschließt. Bei diesem Werk möchte ich alte Traditionen und neue Werte in Bezug bringen. Ganz ähnlich wie ich das auch mit meinen Werkzeugen, mit meinem fotografischen Arbeitsgerät mache.
 
 
Über Andy Schulz:
Andy Schulz wurde 1968 geboren, seit 1991 fotografiert er aus Leidenschaft. 1998 wurde das Londoner College of Printing auf ihn aufmerksam, wo er 1998 sein Studium abschloss. In seinen Werken verbindet er die ausdruckstarke Ästhetik der Modefotografie mit seiner sehr persönlichen Interpretation bekannter Motivwelten.
www.andyschulz.net

Ausgewählte Arbeiten von Andy Schulz präsentiert derzeit die Kunstplattform MuniqueART in München, Schleißheimer Str. 26. Immer donnerstags und freitags von 14 bis 20 Uhr oder samstags von 11 bis 20 Uhr (ausgenommen an Feiertagen und am 27./28. Dezember) – bis zum 20. Januar – ist die Ausstellung geöffnet.
www.muniqueart.de
 

Das Interview führte Martin Vieten